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Viren kopieren körpereigenen Ausweis
10.01.2011
**Wenn Viren eine Zelle infizieren, wollen sie unerkannt bleiben, um sich möglichst ungestört zu vermehren. Im Verlauf der Evolution haben unsere Zellen gelernt, die Eindringlinge zu erkennen und wirksame Gegenmassnahmen zu ergreifen. Grundlage dieser Immunreaktion sind molekulare Muster von Viren, die von der Zelle als „fremd“ erkannt werden. Forscher des Instituts für Immunbiologie am Kantonsspital St.Gallen haben herausgefunden, dass es auch molekulare Muster gibt, die als „zelleigen“ erkannt werden. Dem Erfindungsreichtum der Viren ist aber offenbar keine Grenze gesetzt. Viele Viren haben nämlich gelernt, diese Markierung an ihre viralen Botenmoleküle anzufügen und können sich somit durch eine perfekte Imitation der zelleigenen Moleküle weiterhin unerkannt vermehren.** Die Studie wurde durch die Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds, der Novartis Stiftung für medizinisch-biologische Forschung, des Deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und der Europäischen Kommission ermöglicht. **Teamarbeit St.Gallen-England-Deutschland-USA** Botenmoleküle, die sogenannten messenger-RNAs, sind zentrale Moleküle unserer Zellen, da sie als Abschrift unserer Gene die Bauanleitung zur Herstellung der zellulären Proteine enthalten. Schon seit mehr als 35 Jahren ist bekannt, dass Boten-RNAs höherer Lebewesen (höhere Einzeller und alle Mehrzeller einschliesslich Pflanzen und Tiere) eine Methylierung an ihrem ersten Baustein haben, die sogenannte Ribose-2-O-Methylierung. Allerdings konnte dieser Methylierung bisher keine biologische Funktion zugeordnet werden. Wie das St.Galler Team von PD Dr. Thiel zusammen mit Kollegen aus England, Deutschland und den USA nun in der Fachzeitschrift **„Nature Immunology“** berichtet, spielt diese Markierung der Boten-RNA eine wichtige Rolle in der angeborenen Immunantwort. Fehlt dieser molekulare Ausweis, so erkennen infizierte Zellen die Boten-RNA als „fremd“ und reagieren mit der Ausschüttung von Abwehrstoffen, den sogenannten Interferonen. Als Reaktion auf das durch Interferone übermittelte Gefahrensignal leiten umliegende Zellen antivirale Massnahmen ein, um die Virusvermehrung zu verhindern. Um diesem Abwehrmechanismus auszuweichen, besitzen viele Viren, wie zum Beispiel Coronaviren, das West Nile Virus, Pockenviren, das Masernvirus und sogar das Ebolavirus, ein Enzym (Methyltransferase), das die Methylierung an die virale Boten-RNA anfügen kann. Die Forscher haben in ihrer Studie die Methyltransferase von Coronaviren inaktiviert und sehen als Konsequenz eine verstärkte Immunantwort mit vermehrter Ausschüttung von Interferonen, die ausreicht, um das Virus erfolgreich an der Vermehrung und Infektion weiterer Zellen zu hindern. Die Aufklärung dieses angeborenen Abwehrmechanismus eröffnet neue Möglichkeiten, Virusinfektionen durch gezielte Hemmung von viralen Methyltransferasen zu behandeln. www.immunbio.kssg.ch